Der Bundesgerichtshof hat mit seiner gestrigen Entscheidung deutlich gemacht, dass bei jeder vom Vermieter angestrebten Eigenbedarfskündigung von den Gerichten in den Vorinstanzen Einzelfallprüfungen vorgenommen werden müssen. Jeweils zu prüfen ist, ob es einem Mieter zuzumuten ist, einen Wohnungswechsel vorzunehmen, auch wenn gesundheitliche oder finanzielle Aspekte dem entgegenstehen.
Eine solche Vorgehensweise setzt auch voraus, dass die jeweils materielle Stellung zwischen den Vertragsparteien berücksichtigt wird. Daher ist aus unserer Sicht zu empfehlen, mit der notwendigen Beweislastumkehr dem Vermieter die Möglichkeit zu geben, in einem Verfahren die gutachterliche Stellungnahme einzubringen. Somit kann der materiell Schwächere – also der betroffene Mieter – zumindest wirtschaftlich entlastet werden.
Dadurch ist auch der Gesetzgeber aufgefordert, notwendige Änderungen vorzunehmen, die einerseits dem Schutz der Mieter dienen müssen und andererseits auch das Eigentumsrecht in angemessener Weise berücksichtigen.
Der Bundesgerichtshof hat bewusst und nachvollziehbar keine pauschalen oder starren Entscheidungskriterien verabschiedet, denn diese würden zu erheblichen Ungerechtigkeiten führen. Deshalb ist eine Einzelfallentscheidung genau der Weg, der am zielgenauesten zu dem Ergebnis führt, das jeweils in der Sache angemessen ist.
Wesentlich wird es hierbei darauf ankommen, dass die Mieter sich rechtzeitig an Sachverständige (Anwälte, Mietervereine, …) wenden, die sie bei der Vorbereitung eines solchen Verfahrens beraten und unterstützen können.
Auch eine höchst richterliche Entscheidung muss sich erst einmal in der Praxis bewähren, denn bis dahin gilt das Zitat von Immanuel Kant:
„Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.“