In unserer gestrigen Pressemitteilung, der Pressemitteilung 32/2015, berichteten wir aktuell über den von den Beteiligten so genannten „Kompromiss“ in Bezug auf den Mietenvolksentscheid; wir kündigten weitere Veröffentlichungen an. Nunmehr haben sich die Beteiligten in Pressekonferenzen zum ausgehandelten Kompromiss geäußert: Die SPD und an deren Spitze Fraktionschef Saleh und Stadtentwicklungssenator Geisel feiert sich selbst und lässt es auch an markigen Worten nicht fehlen. Geisel meint, „dass die Mieter der Stadt die Gewinner seien.“ Der Regierende Bürgermeister Müller spricht von einem „für alle Seiten guten Kompromiss“ und Regierungspartner CDU zeigt sich in Person von Fraktionsführer Graf „sehr zufrieden mit der Einigung.“ Große Worte, doch sind diese auch berechtigt? Die folgenden Ausführungen verstehen sich als skizzenhafte Darstellung einzelner Kritikpunkte bzw. von berechtigten Zweifeln am „Kompromiss“; dieses selbstverständlich vor dem Hintergrund der leider nur spärlichen bzw. vagen Informationen, die aus dem Hause der SPD dringen (eine offizielle Verlautbarung der CDU ist bislang nicht bekannt).
Die „Stärkung der Mieterrechte“ wird gefeiert, doch es bleibt aus unserer Sicht bislang weitestgehend offen, wie das konkret geschehen und insbesondere finanziert werden soll. Gedacht ist, dass Mietern, die mehr als 30 % ihres Nettoeinkommens für die Miete (gemeint ist die Nettomiete) aufwenden müssen, ein sog. „Berliner Sozialwohngeld“ zustehen soll („Subjektförderung“). Stadtentwicklungssenator Geisel verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass hierfür jährlich maximal 450 Millionen € zur Verfügung stünden und geht so weit, zu behaupten, dass dort, „wo hohe Betriebskosten anfallen, auch mehr subventioniert werden könnte“. Wie diese Mehr-Subventionierung bei „hohen Betriebskosten“ konkret durchgesetzt werden soll, bleibt aber völlig offen. Dieses lässt sich auch nicht aus einem dem Spandauer Mieterverein vorliegenden „Vermerk“ der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus vom 18. August 2015 entnehmen. Einzig die entsprechende Absichts-Formulierung findet sich dort. Weitere Ausführungen: Fehlanzeige. Berechtigte Zweifel an der Umsetzbarkeit dieser Ziele ist deshalb gerade bei den Mitarbeitern des Spandauer Mietervereins e.V., die sich bei ihrer täglichen Arbeit für die Mitglieder des SMV immer wieder mit extrem hohen Betriebskostenabrechnungen „herumschlagen“, angebracht. Nichts Anderes gilt für die „Zielvorstellung“ zur Verhinderung von Zwangsräumungen und Bonitätsauskünften: Auch hier keine Verlautbarung, auch hier eine bloße Absichtserklärung im SPD-Fraktions-Papier.
Es bleibt die spannende Frage, wie die Berliner Regierenden vor dem Hintergrund verfassungsrechtlich garantierter Eigentumsrechte, den klaren gesetzlichen Regelungen in BGB und ZPO und insbesondere den nicht allzu lang zurückliegenden Gesetzesänderungen (Stichwort: Mietrechtsreform 2013) Zwangsräumungen „vermeiden“ wollen. Es entsteht der Eindruck, dass hier etwas „versprochen“ wird, was letztlich rechtlich nicht oder nur schwerlich durchzusetzen sein dürfte. Vor diesem Hintergrund erscheinen Verlautbaren aus der SPD-Fraktion zu einem „juristisch tragfähigen Kompromiss“ – mit Verlaub- wie heiße Luft. Nur am Rande: Auch wie SCHUFA-Bonitätsauskünfte bei Vertragsschluss (nach Verlautbarungen wohl das Lieblings-Ärgernis-Thema von SPD-Chef Saleh) vermieden werden sollen, bleibt offen. Da Vertragsfreiheit herrscht, braucht es hier schon einer rechtlich gut durchdachten Regelung. Aus unserer Erfahrung sind auch vielmehr die bei Vertragsschluss ebenfalls abverlangten „Mietschuldenfreiheitsbescheinigungen“ ein Ärgernis. Hat man sich darüber keine Gedanken gemacht? Schließlich ein weiteres Bespiel: Natürlich ist es zu begrüßen, dass den Mietern der landeseigenen Unternehmen durch die beabsichtigte Einrichtung von Mieterräten und durch die Entsendung von jeweils 2 Vertretern in entsprechende Kontrollgremien Mitspracherechte eingeräumt werden sollen, aber kann den wirklich von „Mitsprache“ die Rede sein, wenn einer der beiden Vertreter „nur“ als Gast fungieren soll und die entsprechenden Gesellschaftsverträge zudem unverändert klare Abstimmungsregelungen enthalten?
Die wenigen Bespiele vorab zeigen, dass bei einem längeren Blick auf die bisher bekannten beabsichtigten Regelungen Anlass zur Skepsis und gerade nicht zu der von den Politikern vermittelten „Euphorie“ besteht. Auf die geplante Einrichtung des Fonds zur Wohnraumförderung und die großzügigen Planzahlen für den Wohnungsneubau kann an dieser Stelle aus Platzgründen nicht eingegangen werden. Viele Fragen sind trotzdem noch offen. Befürchtungen bestehen auch hinsichtlich der für das Gesetzespaket kommunizierten Kosten, denn während die SPD von „nur“ 1,4 Milliarden € für die kommende Wahlperiode 2017 bis 2021 spricht, ist hinter vorgehaltener Hand schon jetzt von Kosten in Höhe von bis zu 2,5 Milliarden € und bei Sachverständigen sogar von Kosten zwischen 3 und 4 Milliarden € die Rede. Aus unserer Sicht muss die Berliner Politik daher dringend auch nochmals fundierte Kostenschätzungen für die nächste Legislaturperiode vorlegen, schließlich bezahlt der Steuerzahler das Gesetzesvorhaben. Mit dem gefundenen Kompromiss ist auch der größte Streitpunkt zwischen Initiative und SPD, die Frage, wie die landeseigenen Wohnungsunternehmen zukünftig strukturiert werden sollen, vom Tisch: Die Idee ist, dass die 6 städtischen Wohnungsbaugesellschaften unter das Dach einer Holding (Anstalt des öffentlichen Rechts) schlüpfen sollen, aber (erwartungsgemäß weiter) privatrechtlich organisiert bleiben. Ob die Holding vor dem Hintergrund dieser gesellschaftsrechtlichen Konstruktion dann eine beabsichtigte „politisch steuernde“ Funktion übernehmen kann oder ob sie auf bloße „Empfehlungen“ beschränken muss, bleibt abzuwarten.
Abzuwarten bleibt auch, ob das geplante Gesetz tatsächlich – wie von der Berliner SPD lautstark verkündet – noch Mitte November 2015 beschlossen werden und dann zum 01.01.2016 in Kraft treten kann und insbesondere ob es sodann die vorab so gefeierte Wirkung zeigen wird.
Im Bewusstsein der unklaren Zusammenhänge einzelner Maßnahmen führt uns zu dem Sprichwort von Carl Friedrich v. Weizsäcker: „Ganz neue Zusammenhänge entdeckt nicht das Auge, das über Werkstück gebeugt ist, sondern das Auge, das in Muße den Horizont absucht.“